Heller Stern – Krippenkunst im Jubiläumsjahr
Am 29. Juli 1934 wurde das heutige Relígio als Wallfahrts- und Heimatmuseum eröffnet. Noch im ersten Jahr des Bestehens begründete Musemsleiter Dr. Paul Engelmeier die Tradition, zur Weihnachtszeit Krippen auszustellen. Schon in der ersten Weihnachtsausstellung wurde ein wesentliches Fundament der Krippenschauen gelegt, nämlich die Präsentation zeitgenössischer Krippenkunst. Sie ist das vielleicht wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Telgter Ausstellung von vielen anderen Krippenausstellungen. Mehrere in den ersten Jahren gezeigten (historischen) Krippen gelangten später in die Museumssammlung, so wie die Krippe von Heinrich Budde, die heute in der Schausammlung zu sehen ist.
Das Thema der diesjährigen Ausstellung „Heller Stern…“ bezieht sich auf den Stern von Bethlehem, dem die Weisen aus dem Morgenland gefolgt sind, um den Gottessohn in der Krippe zu finden. Immer wieder hat sich die Wissenschaft mit der Frage befasst, ob es diesen Stern zur Zeit der Geburt Jesu tatsächlich gab. Die Frage lässt sich bis heute nicht eindeutig beantworten. Lange Zeit hielt man den Stern für einen Kometen. Eine andere Vorstellung ist, dass es eine Supernova gewesen sein könnte, ein kurzes Aufleuchten eines Sterns am Ende seines Lebens. Die wahrscheinlichste Theorie ist zum jetzigen Zeitpunkt, dass der Stern eine Planetenkonjunktion war, also eine enge Begegnung mehrerer Planeten, die von der Erde aus gesehen wie ein außergewöhnlich heller Stern ausgesehen hat. Man könnte meinen, dass die astronomischen Erkenntnisse für die religiöse Deutung unwichtig sind, aber Himmelphänomene sind in der Kulturgeschichte immer wieder religiös gedeutet und mit besonderen Geschichtsereignissen verbunden worden. In der aktuellen Ausstellung hat sich Christian Nachtigäller mit diesem physikalischen Phänomen befasst. Er schuf das Werk „Wir folgen dem Stern“, mit einem Sextanten, einem Messinstrument für weite Entfernungen. Sobald man vor die Krippendarstellung tritt, erscheint die Heilige Familie vor einem Sternenhimmel.
Das wohl wichtigste Motiv in der Ausstellung ist der lichtbringende und wegweisende Stern. Zahlreiche Werke bilden ihn nicht nur ab, sondern nutzen technische Unterstützung, um ihn hell leuchten zu lassen. Der Stern erstrahlt über der Heiligen Familie, dem Stall oder dem Kind in der Krippe. Je nachdem, wo sich die Heilige Familie befindet, kann er auch vor dem Brandenburger Tor oder einem Mietshaus in der Ukraine erstrahlen. In einigen Werken liegt das Kind auch auf dem Stern oder ist in der vergoldeten Mitte des Sterns zu finden Stefan Lutterbeck wählte für sein Relief aus brasilianischem Schiefer ein Zitat von Desmond Tutu: „Die Hoffnung sieht, dass es trotz aller Dunkelheit ein Licht gibt.“ Auch wenn es der vergoldete Stern ist, der leuchtet, im Mittelpunkt seiner Arbeit liegt der Jesusknabe als Hoffnungsträger in der Krippe.
Erwartungsgemäß spielen die Heiligen Drei Könige, die dem hellen Stern folgen, in dieser Ausstellung eine bedeutendere Rolle als in vorherigen Ausstellungen. Sie sind vielfach dargestellt, auf Gemälden, aus Holz geschnitzt, teilweise bekleidet, aus Papier gefaltet oder als Serie von Kindern gemalt. In der Regel sind die Heiligen Drei Könige auch erkennbar als Könige dargestellt. Eine Ausnahme bilden die Könige in der beeindruckenden Krippe, die mit Gefangenen aus der Jugendvollzugsanstalt Herford erarbeitet und vom Holzbildhauer Rudi Bannwarth umgesetzt wurde. Dazu schrieb der Seelsorger Michael King: „‘Einmal der King sein‘, ‚das wäre es‘, sagt ein junger Inhaftierter. Die Heiligen Drei Könige sind in der sozialkritischen Krippe eine Rechtsanwältin oder eine Richterin in schwarzer Robe, ein Bediensteter und eine Freundin oder eine Sozialarbeiterin, die auf einem Kissen eine Krone bringt.
In der diesjährigen Krippenkunst-Ausstellung sind drei Werke des Münsteraner Künstlers Erwin Löhr zu sehen, der zahlreiche Bibelillustrationen geschaffen hat. Ein Gemälde befasst sich mit der überraschenden Begegnung der Heiligen Drei Könige mit dem gerade geborenen und noch nackten Christkind unter dem Titel „Breughels Könige hatten ein anderes Kind erwartet“. Das Jesuskind kommt auf einem Lichtstrahl zur Welt und wirkt ohne Maria und Josef einsam und verlassen.
Wie in den letzten Jahren nehmen mehrere Künstlerinnen und Künstler Bezug auf die aktuelle weltpolitische Lage, auf Kriege, Zerstörung und menschliches Leid. Die Krippe mit dem Kind als Hoffnungsbotschaft thematisieren Stefan Lutterbeck, Hans Rothfeld, Adelheid Eimer, Olya Kravchenko um nur einige zu nennen. Das Werk „Weihnachten im Luftschutzkeller“ zeigt die im Ikonenstil gemalte Geburt des Jesusknaben im Keller eines Mietshauses, zu dem die Heiligen Drei Könige kommen. Hinter den Fenstern sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses schemenhaft zu erkennen. Vor dem Haus strahlt ein übergroßer Stern. Diese Krippe gelangte auf dem Rückweg eines Hilfstransportes nach Deutschland.
Zwei Räume der Krippenkunst-Ausstellung beherbergen spirituell erfahrbare Kunstinstallationen. „Im Brennpunkt heißt die Rauminstallation“ einer Gruppe von Textilkünstler:innen (tx02), die sich mit den Brandherden auf dieser Welt befasst. Aus dem Institut für Inszenierung stammt das Werk „Ins Licht“. Durch einen hohlen, durchbrochenen Baumstamm, in dem sich bewegende Glasscheiben befinden, fällt Licht auf eine Kugel. Der Baumstamm symbolisiert das Fernrohr der Heiligen Drei Könige, die Kugel den Stern. Das Licht scheint zu atmen und ermöglicht so eine transzendente Dimension.
Schließlich haben verschiedene Werke der Ausstellung einen lokalen Bezug. Hierzu gehören die Papierkrippe des Kölner Architekten Matthias Weber und das auf altes Eichenholz gemalte Bild von Margret Unnewehr. In der Papierkrippe sind die beiden Museumsgebäude und die Telgter Gnadenkapelle zu sehen. Auf dem Balkon des Gebäudes von Kleihues steht ein Engel, ein weiterer Engel breitet ein Tuch aus, um die Heilige Familie mit dem Neugeborenen zu schützen. Von rechts kommen die Heiligen Drei Könige, die dem Stern am Kapellendach gefolgt sind. „Geschmiedet im Glauben“ heißt das Gemälde mit der Gnadenkapelle, über der sich ein Sternenhimmel erhebt. Menschen kommen zur Heiligen Familie, die aus geschmiedeten Nägeln des alten Kapellendaches geschaffen wurde.
Auch im Jahr 2024 nehmen über 100 Künstlerinnen und Künstler an der Krippenkunst-Ausstellung teil, von der Kindergartengruppe bis zu professionellen Künstlerinnen und Künstlern. Es gelingt ihnen immer wieder, die Ausstellung zu einem informativen, meditativen, spirituellen, ästhetischen und unterhaltsamen Erlebnis zu machen.
Relígio – Westfälisches Museum für religiöse Kultur
Herrenstr. 1-2
48291 Telgte
www.museum-religio.de
Öffnungszeiten: Di bis So 11 bis 18 Uhr
Eintritt
Erwachsene 7 Euro, ab 12 Personen 6 Euro
Kinder bis 21 Jahre frei
Pressemitteilung
Krippenpreis des Bistums Münster 2024/25
Zehn Preisträgerinnen und Preisträger erhalten wieder den Krippenpreis des Bistums Münster. Ausgewählt wurden sie in der aktuellen Ausstellung „Heller Stern“.
„Die Hoffnung sieht, dass es trotz aller Dunkelheit ein Licht gibt“, heißt es auf dem Relief aus brasilianischem Schiefer. Geschaffen hat es der Steinbildhauer Stefan Lutterbeck aus Everswinkel, der seit 1977 an der Krippenausstellung teilnimmt. In der Mitte liegt der Jesusknabe. Unter ihm sind zerstörte Häuser zu sehen, rechts von ihm sprießt ein kleiner grüner und hoffnungsvoller Keim aus der Erde. Dieses Werk hat die Besucherinnen und Besucher der Telgter Krippenkunst-Ausstellung nachhaltig beeindruckt und sie haben es mit überwältigender Stimmenmehrheit zum Publikumspreis bestimmt.
Die sechsköpfige Jury hat neun weitere preiswürdige Werke ausgewählt. Es sind die Kinder vom Eltern-Kind-Kurs Alfter unter der Leitung von Eugenie Hellmann. Sie haben Wandbilder, mit Pastellfarben gemalt und mit Glimmer verziert. Der Titel heißt „Oh, der Stern, eine Botschaft des Himmels!“ „Sternennest“ betitelt die 2015 geborenen Schülerin Klara Unnewehr aus Dortmund ihr Werk. Es besteht aus einem ausgesägten Stern, einem Vogelnest und einem aus Salzteig geformten Jesuskind. Die Telgter Ausstellung vereint Generationen. Die ältesten Preisträger sind Josef Morgret und Waltraut Karrenbrock aus Osnabrück. Besonders die fein modellierten Tonfiguren von Karrenbrock haben die Jury beeindruckt. „Zuversicht“ betitelt Agnes Schneider aus Telgte ihr 2024 entstandenes Gemälde. Das Besondere am Bild sind die beiden Sterne, die eine Planetenkonjunktion über dem Stall von Bethlehem darstellen. Ein weiterer Preisträger stammt aus Telgte: Peter Schulze Niehoff schuf eine moderne „Pop und Rock-Art-Krippe“. Alle Figuren der Krippe sind mit symbolischen Tonträgern dargestellt, das Jesuskind mit einer Kassette von „Jesus Christ Superstar“, Maria mit einer Schallplatte von Madonna usw. Aus Münster kommt der Preisträger Jan Kwiatkowski. Er bildete den Stern aus Gerstenähren, die in einer alten Getreideschaufel kreisförmig angeordnet sind. Die Heilige Familie besteht aus drei schmalen Tonlöffeln. Diese Installation wurde aufgrund ihrer Schlichtheit und ihren theologischen Deutungsmöglichkeiten als preiswürdig angesehen. Beeindruckend befand die Jury die Rauminstallation der textil arbeitenden Gruppe tx 02, deren Mitglieder aus verschiedenen Orten in Nordrhein-Westfalen stammen. Ausgehend von einer vergoldeten Schale mit dem Jesuskind sind etwa 20 km Lurexfäden durch den Raum gespannt. Die Holzbildhauerin Maria Mähler aus Altenau bei Garmisch-Patenkirchen nimmt zum ersten Mal an der Krippenkunst-Ausstellung teil. „Lass dich führen“ und „Erkenne Dein Licht“ heißen ihre beiden Blockkrippen aus Zwetschgen- bzw. Nussbaumholz. Maria Mähler bearbeitet das Holz mit der Kettensäge. Den weitesten Weg in die Ausstellung hatte die Krippe „Weihnachten im Luftschutzkeller“ der ukrainischen Künstlerin Olya Kravchenko aus Lviv. Ihr Werk zeigt ein Mietshaus, hinter dessen Fester sich trotz des Krieges Alltagsleben abspielt. Auf der Kellertreppe schwebt ein Engel, der den Weg zur Heiligen Familie im Luftschutzkeller weist. Ihr Werk wird als besonderes Zeitdokument ausgezeichnet.
Die Preisvergabe findet in einer öffentlichen Feierstunde am 26. Januar 2025 um 15.00 Uhr im Museum Relígio statt. Damit endet dann auch die 84. Telgter Krippenkunst-Ausstellung. Weitere Informationen unter www.museum-religio.de